CH-Musik

We z'Bärn irgendöpper Kultur macht, de chunnt meischtens nume d'Polizei"
Züri West, Hansdampf (1987)

Bern in den 80ern war zwar nicht ganz so heiss wie die grosse Weltstadt Zürich, aber die Polizei hatte auch hier einiges zu tun. Zaffaraya und Andreas Bergers Film Berner Beben sind die Stichworte.

Begonnen haben die 80er aber selbstverständlich in Zürich mit den Opernhauskrawallen. Und dort formierten sich im gleichen Jahr Grauzone zu einer Art Band. Martin Eicher, GT und Marco Repetto passten ihre Konzerte und Songs jeweils der Stimmung im Publikum an, spielten also eine Art improvisierter Popelektronik. Dazu gabs Diashows und Super-8-Filme. Der Song "Eisbär" schaffte es ins Radio und wurde dort rauf und runter gespielt. Die Band, zu der später auch Stephan Eicher gehören sollte, darf retrospektiv als eine der ersten NDW-Formationen bezeichnet werden.

1982 lösten sich Grauzone auf – und Stephan Eicher machte solo weiter. Mit einer elektrischen Gitarre und haufenweise rudimentärer Elektronik tingelte der aus Münchenbuchsee stammende Musiker als One-Man-Show durch unser Land. Bei einer Campingplatztournee durch Frankreich wurden unsere Nachbarn auf den etwas holprig singenden, noch heute von vielen als frankofon angesehenen, Schweizer aufmerksam. Mit "Les filles de Limmatquai" eroberte sich Eicher einen Flecken Radioterritorium, den er später mit "Two people in a room" bestätigte. 1987 wandte sich Eicher von der Elektronik ab. Und 1989 gelang ihm mit "My Place" ein Meisterwerk und der Durchbruch. Der Rest ist Geschichte – und eine der erfolgreichsten im hiesigen Musikmarkt überhaupt.

Apropos Radio. Im November 1983 ging DRS 3 auf Sendung. Der nach Eigenwerbung erste "amtlich bewilligte Störsender" veränderte die Schweizer Musiklandschaft nachhaltig. Die Musiker bekamen eine grössere Plattform und die potentiellen KäuferInnen hatten einen direkten Zugang zu Schweizer Rockmusik. DRS 3 grub zum Beispiel "Campari Soda" aus. 1977 wurde das Lied zusammen mit anderen Perlen auf die Platte "Es isch als gäbs mich nüme me" gepresst und verschwand nach 600 verkauften Einheiten in der Versenkung. Einige Jahre später, als es die Band Taxi schon längst nicht mehr gab, wurde "Campari Soda" ein Radiohit und gilt heute als eines der bekanntesten Schweizer Lieder überhaupt.

Dominique Grandjean, Komponist und Texter von "Campari Soda", tauchte später mit Hertz wieder auf. Das Quartett erfand einen flächigen, monotonen, technoiden Sound. Daneben fielen Hertz vorallem durch ihr konzeptionelles Auftreten (z.B. in Kartoffelsäcken) auf. Inspiriert von Kraftwerk, hatten sie später sogar eine Vorreiterrolle für asketischen Ethno und skurrile Volksmusik inne.

Auch mit Samplern umgehen konnten Touch el Arab aus Basel. Der Singlehit "Muhammar" mit seinem gesampleten Muezzin und dem tranceartigen, metallischen Rhythumsloop schlug ein und machte die Lederjackenträger 1988 national bekannt.

Auch irgendwo in diesem Berich tummelte sich zwei Jahre früher eine andere Basler Formation. Unter dem Namen Matterhorn Project veröffentlichten Stella Space und P.J: Wasserman "Muh" und "Yo-Lollo-diuh". Die gesamplete Kuh resp. Jodler waren Ausdruck eines Anything goes. Alles wurde ausprobiert, auf Vinyl gepresst und eroberte dann meist auch gleich die Charts. "Muh" ist ein banales, repetitives Gebastel, das aus heutiger Sicht nur das Prädikat "äusserst peinlich" verdient.

Eine veritable Sensation kam aus Genf. Gleich mit der ersten LP heimste sich die Band "Album of the Year"der britischen Musikzeitschrift "Melody Maker" ein. Das war 1987. Das Album hiess gleich wie die Band: The Young Gods. Gitarristen gab es bei den Schweizer Musikpionieren nie, die Sounds waren von Beginn weg gesampelt. Das war zu jener Zeit eine Sensation, vorallem weil die Genfer mit der grassierenden Discowelle so ziemlich überhaupt nichts gemeinsam hatten. Der Sound war brachial und monoton (später sollte man sowas "Industrial"nennen) und begeisterte vorerst vorallem die Musikpresse, und zwar von Frankreich bis Australien. Der Durchbruch gelang Franz Treichler und seinen Mannen aber erst 1992 mit "T.V. Sky", einem englisch gesungenen Album. Und übrigens: The Young Gods gibt's noch: Seit Anfangs November 2000 ist ihr lange erwartetes sechstes Album "Second Nature" auf dem Markt.

Auch Züri West haben die 80er überdauert, ja sind wohl sogar erfolgreicher denn je. 1984 als Schwinigers gegründet, tummeln die fünf Berner zuerst durch Szene und Polizeieinsätze. 1986 gibt's dann eine E.P. (dies ist eine Art Maxi-Single mit maximal sechs Stücken, die aber mit 33 Touren gespielt wird) mit Namen "Kirchberg" und ein Jahr später "Sport und Musik". Bereits zu dieser Zeit (1987) erkennt der Tages Anzeiger, "...dass Züri West an der gefährlichen Schwelle zur ersten nationalen Hymnenband angelangt ist!" Dabei war das erst der Anfang: Die Piano-Ballade "7:7" schlägt voll ein, Züri West spielen 60 Konzerte im ganzen Land und werden mit dem "Pop Tell 88" als beliebteste Rockband des Landes geehrt. 1989 gibt's dann kein Halten mehr: "Bümpliz-Casablanca" entert die Charts und bleibt auf Platz 1 kleben. Dann folgen "Elvis", "Arturo Bandini" und irgendwann mal "Züri West", womit Kuno Lauener und sein Anhang eine weitere Generation Fans in der Tasche haben.

Christian Walther
(mit Samples aus dem Booklet zum "Swiss Kult Hits"-Sampler, CSR Records 1999)